- Extremismus: Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit im wieder vereinigten Deutschland
- Extremismus: Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit im wieder vereinigten DeutschlandDer auch als Folgeerscheinung der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 mit brutalen Gewaltaktionen gegen Ausländer in Erscheinung tretende Rechtsextremismus schien zunächst eine auf das Gebiet der ehemaligen DDR beschränkte Erscheinung zu sein. Sozialwissenschaftler hatten schnell als Träger dieses Extremismus die »Verlierer der Vereinigung« ausgemacht, nämlich aus allen festen Bindungen des SED-Staates gerissene Jugendliche, denen eine trostlose Zukunft als Dauerarbeitslose drohte und die sich in ihrer Ohnmacht und Wut an die vermeintlich Schuldigen, die Ausländer, hielten. Ausländische Bürger, eine kleine Minderheit in der Ex-DDR (etwa 80 000 = 0,5 %), hatte das SED-Regime seinerzeit aus »sozialistischen Bruderländern« (Vietnam, Angola, Mosambique) als Arbeitskräfte ins Land geholt, sie aber trotz amtlich verordneter »Völkerfreundschaft« von der eigenen Bevölkerung abgesondert. Für die meisten DDR-Bürger waren Ausländer eine anonyme, abseitsstehende Gruppe. Von Integration war nicht die Rede. So bot die seit 1989/90 in einigen Städten regelrecht stattfindende Jagd auf Ausländer das erschreckende Bild von rücksichtslos zuschlagenden Tätern und einer schweigend und untätig zusehenden Öffentlichkeit. Dass die von Ausländerhass geprägten Gewaltaktionen auf die neuen Bundesländer begrenzt seien, erwies sich bald als Fehlschluss. Schnell schwappte die Welle der Gewalt auf den Westen Deutschlands über. Beinahe täglich meldeten die Medien nächtliche Überfälle und Brandanschläge auf Unterkünfte von Ausländern und Asylbewerbern.Die tagelangen Krawalle rechtsradikaler Jugendlicher vor Ausländerunterkünften im sächsischen Hoyerswerda (September 1991) und Rostock-Lichtenhagen (August 1992) beschädigten das Ansehen des vergrößerten Deutschlands in beträchtlichem Ausmaß: Durch die hastig angeordnete Verlegung der Ausländer in andere, fernere Unterkünfte wurden die Betroffenen nur vordergründig geschützt. Letzlich wurde damit den Forderungen der Gewaltäter, die sich des Applaus' der Menge sicher sein konnten, entsprochen. Das Versagen von Behörden und Polizei, aber vor allem die fehlende Sensibilität und Toleranz gegenüber ausländischen Mitbürgern wurden hier in krasser Weise deutlich. Den traurigen Höhepunkt der Gewaltwelle bildeten allerdings die westdeutschen Brandanschläge von Mölln (November 1992) und Solingen (Mai 1993), bei denen insgesamt zehn türkische Mitbürger, darunter fünf Kinder, ums Leben kamen. Gegen diese Eskalation der Gewaltaktionen und den stumpfsinnigen Fremdenhass der Täter regten sich bundesweit Zorn und Empörung der Bevölkerung. In zahlreichen Städten strömten Millionen auf die Straßen und bekundeten mit machtvollen Demonstrationsmärschen und Lichterketten ihre Solidarität mit ihren ausländischen Mitbürgern. Vehement forderten sie, allen voran Bundespräsident Richard von Weizsäcker, von den Politikern in Bonn die längst fällige Reform des Staatsbürgerrechts endlich in Angriff zu nehmen. Immer wieder gibt es gewaltame Angriffe und Überfälle, so den Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck im März 1994 und den Überfall auf die KZ-Gedenkstätte Buchenwald im Juli 1994, doch das erschreckende Ausmaß der fast täglichen Gewalt gegen Ausländer ist geringer geworden. Allerdings auch das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit, sich nachhaltig und intensiv weiterhin mit dem Problem der Fremdenfeindlichkeit zu befassen.Den rechtsextremen Parteien erteilten die Wähler indessen im Superwahljahr 1994 sowie in den Landtagswahlen 1995 und im Frühjahr 1996 eine deutliche Absage. Lediglich in Baden-Württemberg erreichten die Republikaner noch einmal 9,1 % (nach 10,9 % 1992) und zogen mit 14 Abgeordneten in den Stuttgarter Landtag ein.
Universal-Lexikon. 2012.